Der Pirat hat einfach geheiratet… Das kann doch nicht sein Ernst sein, nach all den Monaten, die ich ihm nicht geschenkt habe! War es etwa nicht genug, dass ich nach jeder Sauftour neben seinem schnarchenden Gesicht aufwachen musste? Schließlich war es gar nicht so einfach, jeden Morgen unauffällig abzuhauen; immer noch besoffen und taumelnd zum Bus zu sprinten, während er sich noch im Knockout befand.
Er hatte zwar einen großen Schwanz, richtig umgehen konnte er jedoch nicht damit. Sorry, Hase, wenn du das liest… Du weißt, du bist ein wahnsinnig guter Küsser, aber der Sex mit dir war einfach nur abgefuckt – so wie du <3. Ich hoffe, seine Frau hat entweder kein Problem damit, oder hat zumindest die Hoffnung darauf, dass es sich eines Tages bessern könnte.
Immerhin hatte ich als Frau an der Seite des Piraten niemals etwas zu befürchten, er konnte enorm gut kochen und kam immer an tolles Gras. Er war ja schließlich Pirat. Ich weiß noch, als das mit uns anfing, nötigte ICH IHN zum Sex. Das jedoch fiel mir erst Jahre später auf, als ich mit ihm versehentlich eine Beziehung einging. Dann zahlte er mir das zurück – ob nun unbewusst oder nicht…

Lovestory, aber halt ein bisschen assi
Es war ja wirklich lustig mir ihm. Am besten gefielen mir unsere Sonnabende, an denen wir uns in einer abgeranzten Kneipe so die Kante gaben, bis ich mich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern konnte und mir dann auch noch höchst vulgäre Horrorstories über mich selbst anhören durfte. Ich weiß noch, als er mich eines Abends von der Arbeit abholte – damals arbeitete ich in einem Restaurant außerhalb der Stadt – und wir wieder saufen gingen. Da betrat ich wie so oft unsere Rastatter Stammkneipe. Hieß die Irrlicht? Weiß ich nicht mehr. Wäre jedenfalls ein passender Name für ein solches Etablissement.
Seit einigen Jahren habe ich kein Alkoholproblem mehr und der Pirat hat mir tatsächlich einen Impuls gegeben, mit dem unnötigen Saufen aufzuhören. Offenbar dadurch, dass er das Negativbeispiel schlechthin war. War diese Lovestory also nicht komplett umsonst?
Dort sah ich eine junge Frau, etwa in meinem Alter. Sie war schon fertig mit der Welt, als wir beide dort eintrafen. Ich weiß nicht, worauf sie war. Die heiße Bartante meinte, das Mädel sei besoffen – ich hatte eher das Gefühl, sie hätte harte Drogen genommen. Zwar hatte sie einen „Aufpasser“, der ein Auge auf sie warf, dennoch verließ mich nicht das Gefühl, dass es sich hierbei um ein eher professionelles Verhältnis handelte. Der Typ roch schon förmlich nach Zuhälterei.
Super cringer und unnötiger Witz, für den ich mich heute schäme
Als ich mit der jungen Frau, dessen Namen ich sofort vergessen habe, nachdem sie ihn mir mitgeteilt hatte, auch noch sprach, verließ mich das Gefühl nicht, dass sie hin und wieder anschaffen ging. Eins führte zum anderen und wir sprachen über Sex Ich war wieder einmal in der Stimmung (ich war dicht), mir einen Witz aus der Unterhaltung zu machen, deutete auf den Pirat und beteuerte, bei uns liefe eh nur ein Mal im Monat was. Der Pirat, wie er eben war, durchschaute meine Laune und machte mit. Das liebte ich so an ihm. War nicht das einzige Mal, das wir zusammen irgend welche Leute auf den Arm nahmen.
Wir schmückten das ganze aus, indem wir Details anfügten wie „nur Blümchensex“ und „Missionarsstellung“ und „3 Stunden Vorspiel“ und fühlten uns ganz witzig dabei. Und sie schaute uns total verdutzt an und fragte mich „Bist du etwa… bist du… bist du eine…“ – sie bekam die Worte nicht mehr richtig zusammen und der Pirat half ihr nach: „Eine Frau mit Stil? Ja, das ist sie.“ Schmeichelnd. Das war aber ganz und gar nicht zutreffend. Zumindest nicht in dieser Phase meines Lebens. Zumindest nicht mit ihm.
Unter meinem eleganten Kleid fanden sich nämlich dutzende blaue Flecken. Wenn ich heute daran zurückdenke, weiß ich auch nicht, was das mit mir macht. Ich ließ mich vom Pirat so heftig kneifen und beißen, sodass ich insbesondere im Bereich meiner Brust gänzlich entstellt aussah. Nachdem uns das unter Drogeneinfluss stehende Mädchen traurig sagte, dass es sich auch so etwas Romantisches im Bett wünsche, gingen wir. Mir tat’s voll Leid. Ich hätte sie am liebsten mit nach Hause genommen.
Der wahrscheinlich verrückteste Ort, an dem ich je Sex hatte
Seine Eltern, sie lebten zwei Häuser weiter, hatten eine nette, große Wohnung, von der aus man zum Uhrenturm gelangen konnte. Ein paar Holztreppen führten durch den frisch gestuckten Turm, bis oben rauf zu der beleuchteten Uhr. Denkmalschutz. Dort hat er mich in jeder Nacht im Doggystyle durchgefickt. Ok, ich geb’s zu: meine Idee. Bis auf die Tatsache, dass es dieser verrückte Ort war, von dem uns im Grunde die ganze Stadt hätte sehen können (oder hat?), war der Fick mit dem Pirat so semi. Wie üblich halt. Vielleicht lag es auch daran, dass ich unter Alkoholeinfluss nicht komme. So gar nicht.
Danach aber hab ich im Bett seiner Mutter mit ihren beiden Hunden gekuschelt, während er im anderen Zimmer schnarchte. Ich sag’s dir, ich durchlebte Hochgefühle des Glückes, als diese beiden kleinen Tiere ihre warmen Körper an den meinen drücken. Ich kann jetzt noch immer nicht sagen, ob mir jemals das Kuscheln mit einem Mann mehr Freude bereitet hat, als das Kuscheln mit Hunden oder Katzen. Wohl eher nicht.
War es nun eine Lovestory oder nicht?
Aber den Pirat habe ich geliebt. Wenn auch auf eine Art, die nicht von Dauer war. Als ich ihn lange Zeit vor unserem was-auch-immer kennenlernte, war er noch der schüchterne Schönling, der einfach jeden, der komisch guckte, mit einem Schlag in die Fresse auf die Intensivstation befördern konnte. Als wir noch so jung waren, fand ich diese gewalttätige Seite an ihm aufregend. Er war so ungezügelt und kam mir so geheimnisvoll vor mit seiner tiefen Stimme, seinem schwarzen, lockigen Haar und seinen großen Pupillen. Und einer Line „zum Wachwerden“ und einer „zum Schlafengehen“. Der Pirat war wie ein streunender Kater. Er kam und ging, wann er wollte – meldete sich über Monate, gar Jahre nicht und dann wieder doch; und irgendwann wuchs ich aus dieser Lovestory heraus und schloss mit ihm ab.
Die schönste Zeit, die wir miteinander hatten, war die, in der wir eine asexuelle Freundschaft führten. Mit Küssen aber. Manchmal auch mit Fingern, glaub ich. Bin mir aber nicht mehr so sicher – es gab viele Phasen, die wir miteinander hatten. Aber immer, wenn ich an den Pirat zurückdenke, dann weiß ich, dass wir an unserer Freundschaft mehr hätten arbeiten sollen. Stattdessen zerstörten wir sie mit dieser ins Nichts führenden Lovestory. Obwohl zwischen uns viel schief lief, weiß ich, dass er mir gegenüber immer loyal war. Dafür schätze ich ihn. Und dafür, dass er so fantastisch kochen konnte. Aber seine toxische Maskulinität und sein übermäßiger Konsum waren fürn Arsch… Und mal ganz ehrlich: Zwei Piraten unter einem Segel sind einer zu viel. Ich hab dich trotzdem lieb, Hase. Meld dich bloß nie wieder bei mir.
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