So verhält man sich bestenfalls auf einem Tinder-Date, liebe Herrschaften: Als ich mit – nennen wir ihn Tyger – ausging, fielen mir sofort seine guten Manieren auf. Wenn ich jemals einen richtigen Gentleman datete, dann wohl ihn. Er war redegewandt, intelligent und erfolgreich. Ich glaube, er war damals 38 – ein guter Altersunterschied. Darüber hinaus war er Stier – so wie ich. Kurz gefasst: Wir haben gevibet.
Bestes Tinder-Date: „Tyger“ war ein begnadeter Zuhörer
Er holte mich in seinen Luxuskarossen ab und es machte schon Spaß, mit ihm durch die Baden-Badener Innenstadt zu brettern. Tyger gehörte zu den Männern, die für mich eine klare Autoritätsperson darstellten. Er war um einiges intelligenter, erfolgreicher und bodenständiger als ich. Er hörte mir gerne zu und meinte, er lerne viel von mir, was mir natürlich schmeichelte – aber ich wusste es besser.
Tyger hatte blondes, lockiges Haar, hellblaue Augen, ein markantes Gesicht und war nur wenige Zentimeter größer als ich. Immerzu trug er entweder schneeweiße oder hellblaue Hemden (wir dateten im Sommer). Er war kein Mann vieler Worte, aber wenn er etwas ausgesprochen hatte, dann war es mit Bedacht. Das gefiel mir gut.
Unser schönstes Date in Baden-Baden
Eines der schönsten Dates, das wir hatten, war auf dem Baden-Badener Oldtimer-Meeting. Wir gingen durch die Reihen eleganter alter Autos und ich verkündete bei fast jedem zweiten, dass ich es gerne mal fahren würde. Als wir uns alle Motorenwerke angeschaut hatten, saßen wir noch lange auf der Bank vor dem Kurhaus und plauderten über das Leben und unsere Jugend.
Während der anderen Dates lud er mich in irgendwelche Restaurants zum Austernessen ein – oder einfach nur auf ein Ginge Ale. Es war nett. Einmal habe ich ihm sogar das Schloss Favorite in der Nähe von Rastatt gezeigt. Wir spazierten stundenlang durch die Parkanlage und schauten uns die Enten an. An diesem Abend beschloss ich ihn zum Abschied zu küssen. Ein großer Fehler. Es war einfach zu früh dafür – ich war nicht bereit, wenn auch der Kuss schön war.
Unser letztes Tinder-Date: Deshalb sollte man nichts überstürzen
Wir dateten bereits über einen Monat hin und her, als ich mir habe einreden lassen, dass ich in die Offensive gehen soll. Ich hatte nicht so richtig Bock darauf, aber die Person, die mir das empfiehl, schien Ahnung zu haben. Also hörte ich auf sie. Eines Nachts schrieb ich Tyger eine belanglose Fantasie, die ihm offenbar gefiel. Ich erzählte ihm von einem erotischen Traum, den ich mit ihm gehabt haben soll. 100 Prozent erfunden.
Der Grund, warum das mit uns nie über diesen einen Abschiedskuss hinauslief, ist der folgende: In einem Gespräch steckte er mir, dass er keine Kinder will. Alles, was er danach noch sagte, nahm ich nur noch als Rauschen auf. Für mich hatte sich die Sache in dem Moment erledigt und ich machte mich zunächst rar, bis ich ihn irgendwann komplett ghostete. Richtig peinlich, alter.
Mittlerweile konnte ich meinen emotionalen Intellekt aufwerten und würde mich so definitiv nicht mehr verhalten. Ich fühle mich auch nicht besonders gut dabei, mein Anliegen nicht mit ihm kommuniziert zu haben. Das wäre wirklich das Mindeste gewesen.
Foto von Renaat Peeters auf Unsplash
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