Ich liege auf meinem Bett, er sitzt drauf. Seit zehn Minuten höre ich, wie seine Worte ein Bild von mir schaffen, das offensichtlich kein so gutes ist. Er erklärt mir gerade, weshalb wir nie ein Paar werden könnten und weshalb er mich als merkwürdig empfindet. Dass es mir wehtut, kann er mit Sicherheit an meinem Gesicht ablesen, aber er macht weiter. Er ist richtig im Flow.
„Aber das soll kein Korb sein“
Er mag den Jazz nicht, der im Hintergrund spielt, er findet unseren Altersunterschied von vier Jahren zu groß, er ist noch nicht über seine Ex hinweg. Laut ihm sind meine Hobbys langweilig und, zitiere: „zu intellektuell“. Er analysiert die Bücher in meinem Regal – Kafka und Goethe findet er schlecht. Er findet, wir hätten nichts gemeinsam und er findet noch viele weitere Punkte, die er an mir nicht gut findet. „Aber das soll kein Korb sein“, sagt Edgar* zum krönenden Abschluss, schaut mich an, und fragt, ob alles in Ordnung sei.
Nicht so wirklich. Ich durfte mir gerade einen Monolog darüber anhören, dass ich ein komischer Mensch bin, den du offensichtlich nicht magst. Eine gewisse Vorahnung hatte ich jedoch, dass der Junge auch schwer ins Auge gehen könnte. „Alles in Ordnung“, stottere ich in einer möglichst überzeugenden Stimme, doch es überzeugt keinen von uns. Er entschärft die Situation, indem er meinen Vorschlag von vorhin aufgreift und fragt, ob wir jetzt nicht doch zusammen Malen wollen. Ich steige darauf ein. Da ich nur einen Stuhl zu Hause habe, platziere ich ihn darauf und frage ihn, womit er malen will. Er richtet sich nach mir. In meiner bestehenden seelischen Verfassung brauche ich Acryl.

Liegt es wirklich an meiner Persönlichkeit?
Er sitzt, ich stehe – ich mache die ersten Pinselstriche. „Setz dich auf meinen Schoß.“ – „Lieber nicht.“ – „Stehen ist schlecht für deinen Rücken.“ – „Das macht nichts.“ – „Ich drück 170 Kilo Beinpresse (oder wie viel auch immer), setz dich drauf.“ Ich setze mich und wir malen weiter. Der Körperkontakt mit ihm fühlt sich unfassbar gut an. Edgar ist richtig warm und angenehm und darüber hinaus zieht er mich sehr an. Dann umfasst er meine Taille. Obwohl seine Berührung schön ist, fühlt sich meine Seele an, als würde sie jemand zerschneiden. Ich stehe sofort wieder auf.


Wir malen weiter – beide auf demselben Stück Papier. Im Hintergrund spielt nun nicht mehr Jazz, sondern das X&Y-Album von Coldplay. Ich muss aufpassen, dass ich nicht auf das Papier heule. Als ich mich hinknie, um etwas in der unteren Schublade meines Schreibtisches zu suchen, streichelt er mir ganz sanft über Rücken und Schultern. Mein Herz blutet.
„Die würde ich daten“, sagt er
Dann nimmt Edgar ein Fotoalbum in die Hand, das im Bücherregal steht. Darin findet er ein Haufen Bilder von mir aus der Zeit, als ich noch jünger und schöner war. „Die würde ich daten“, sagt er. Er deutet auf ein Foto von mir im Abendkleid: Darauf sitze ich auf einer fremden, weißen Harley und halte ein Glas in meiner besoffenen Hand.
Auch ich liebe dieses Bild. „Sie würde dich aber nicht daten“, lüge ich, um meinem Ego einen Gefallen zu tun, aber es bringt nichts.
Ihr werdet es wahrscheinlich nicht glauben, aber so ging es weiter mit ihm.
*Name geändert.
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